Alle zwei Jahre findet in Neuburg das turbulente Schloßfest statt. Teilnehmende Reiter und Pferde sollten Trommeln, Fanfaren und Fahnen vorher kennenlernen, um Unfälle durch scheuende Pferde so gut wie möglich zu vermeiden. Daher treffen sich die Schloßfest-Reiter über ein paar Wochen hinweg auf einer als Reitgelände angelegten Wiese bei der Staustufe Bergheim, um mehrere Male gemeinsam zu üben.
Da das auch für unseren Rufus ein gutes Gelassenheitstraining ist, fahren wir am Freitagabend kurzentschlossen die 25 km nach Bergheim zur ersten Trainingseinheit.
Von allen Seiten treffen Reiter und Pferde ein, eine stattliche Anzahl, per Pferdehänger und zu Fuß, große und kleine...
Zunächst gibt's mal eine flüssige Stärkung für die mutigen Reiter:
Rufus ist eigentlich eher an dem freundlichen weißen Pony interessiert als an dem Trubel um ihn herum.
Dann bemerkt er die Bierflasche...
... und fordert sein Bestechungsschlückchen.
Her damit!
Prost!
Nachdem sich beide Mut angetrunken haben, beginnt die fiese Übung:
Dieser komische Fahnenträger, der da so sinnlos in der Gegend rumsteht, ist Rufus erst mal nicht ganz geheuer.
Nein, da will er nicht so nahe hingehen!
Aber bald läßt Rufus sich überreden und die Fahne darf ihn sogar anfassen. Aber nur ein bißchen!
Landsknechtstrommeln hingegen sind ihm bereits bestens bekannt und erwiesenermassen ungefährlich.
Noch dazu, wenn die Trommlerin so nett ist!
Die Regeln des Trainings werden nochmals für alle Teilnehmer erläutert: die Pferde sollen dicht beieinander die Trommler und Fanfarenbläser umrunden, alle in gleicher Richtung. Von Zeit zu Zeit wird ein gemeinsamer Richtungswechsel angeordnet. Die Fahnenschwinger bleiben bei diesem ersten Training noch ruhig stehen.
Rufus interessiert sich immer noch am meisten für das nette weiße Pony von vorhin und für den großen lockigen Hund.
Rainer Martin überwacht die Übung.
Und hier ist sie, die Insel des Grauens: Trommeln, Fanfaren und Fahnen auf ihrem Podest...
Runde um Runde drehen die Pferde, manche ziemlich nervös, andere völlig abgeklärt und gelassen.
Diese Ponies mit ihren kleinen Reitern lassen sich durch so ein paar Trommler und Blechbläser sichtlich nicht aus der Ruhe bringen. Auch wenn zur Sicherheit noch ein Erwachsener den Strick hält.
Auch Rufus geht tapfer nahe dran vorbei - Angst hat er im Grunde überhaupt nicht. Nur die Fanfaren sind ihm unangenehm, wenn er unmittelbar vor ihnen steht.
Seitlich der Tröten kann man es aber ganz gut aushalten...
... zumal dort noch einige Bierkisten rumstehen!
Mittlerweile darf die Fahne Rufus problemlos über den Kopf streichen. Wir sind ganz zufrieden mit der erfolgreichen Absolvierung dieser ersten Pferdeübung.
Einer nach dem anderen verlassen die Reiter den Ort, während Fanfarenzug und Fahnenschwinger noch etwas weiter üben. Wir gehen mit Rufus zum Parkplatz, führen ihn zum Hänger und - oh verdammt! Rufus hat beschlossen, daß er nicht einsteigen will. Wir versuchen es einige Male, dann führen wir ihn zurück zu den übenden Fahnenschwingern.
Da geht's schon etwas wilder zu, wenn die Fahnen beim Schwingen laut knattern und anschließend hoch durch die Luft gewirbelt werden.
Rufus ist ganz alleine - weit und breit kein anderes Pferd mehr - aber er geht mutig ganz nahe hin.
Aber es hilft alles nichts - wir müssen ja nach Hause! Inzwischen ist es acht Uhr... Also gehen wir zurück zum Hänger. Leider Fehlanzeige: unser Schweizer Sturschädel geht immer noch nicht auf die Rampe. Angst hat er keine - er ist einfach trotzig und will nicht. Kein freundliches Wort hilft, keine Bestechung, aufkeimende Wut und Gewalt schon gar nicht. Wir wenden alle Tricks und Pferdeflüsterer-Methoden an, von denen wir je gehört haben, aber es ist müßig. Rufus steigt nicht ein. Ende der Diskussion. Mitten in der Nacht auf einem mittlerweile menschenleeren Parkplatz neben einer viel- (und schnell-) befahrenen Straße sind nun leider nicht die richtige Zeit und der geeignete Ort, um diese Dominanzfrage mit einem pubertierenden Dreijährigen auszudiskutieren. Um halb zwölf ist unsere Geduld endgültig erschöpft und Bert und ich kommen überein: wer nicht hören will, muß fühlen - in unserem Fall heißt das: wer nicht fahren will, muß laufen...
Über die Donaubrücke mit stärkerem Verkehr (da geht's Richtung Bundesstraße 16) führt Bert, ich fahre mit Bus/Pferdeanhänger mit Warnblinkanlage im Schritttempo hinter ihm her. Beim Schloß Grünau, wo wir Richtung Neuburg abbiegen und nur noch ruhigeren Stadtverkehr haben, steigt Bert auf, inzwischen ist eine zur Hilfe gerufene Freundin dabei und fährt mit Warnblinker vorweg. In Neuburg versuchen wir wieder, Rufus einzuladen, aber keine Chance. Die ganze Strecke reiten geht aber auch nicht, das sind ja Stunden - und er ist ja erst drei Jahre alt! Also sattelt Bert ab, setzt sich hinten in den Bus bei offener Schiebetür und führt Rufus vom Auto aus.
Quer durch Neuburg, vorbei an perplexen Nachtschwärmern, über die Neuburger Donaubrücke wieder zurück auf die linke Donauseite, durch Riedensheim, am Tierheim vorbei (fast hätten wir geklingelt *grummel*), an Stepperg vorüber, durch Rennertshofen bis hinauf auf die Jurahöhe nach Ammerfeld läuft Rufus, das sind laut Google Earth genau 25,1 km. Rufus findet es lustig und trabt vergnügt neben dem Bus her, oft ruft Bert "schneller" und ich sehe Rufus' Gesicht schon auf Höhe des Beifahrerfensters auftauchen. Insgesamt 4 mal halten wir an und versuchen, ob unser renitentes Jungpferd nicht doch ein Einsehen hat und einsteigt - nein, nicht ums Verrecken. Unsere Freundin fährt voraus und holt uns was zu trinken und vor allem Wasser für Rufus, aber er will gar nichts. Muntere 14 bis 15 Stundenkilometer trabt unser Fusselchen, erst ab Rennertshofen, wo es dann deutlich bergauf geht, wird er langsamer und fällt auch mal in den Schritt. Als wir um halb drei - endlich - zu Hause ankommen, hat Rufus nicht mal geschwitzt...
Ab sofort gibt's verschärftes Verladetraining!