Autun: Kathedrale Saint-Lazare und Musée Rolin
Die Stadt Autun, am Ufer des Arroux gelegen, gilt als „Tor zum Morvan-Massiv“. Die dunklen Wälder dieses Gebietes reichen bis fast an den mit buntglasierten Ziegeln gedeckten Chor der Kathedrale Saint-Lazare heran.
Der antike Name von Autun war Augustodunum, das von Kaiser Augustus um 10 v. Chr. an der Fernhandelsstraße Via Agrippa und dem Fluss Arroux gegründet wurde, nachdem der Widerstand der Gallier endgültig gebrochen war. Die mittelalterliche Stadtmauer, von der 23 Türme erhalten sind, fußt auf antiken Fundamenten (sechs Kilometer lang, 54 Wehrtürme).
Bereits für das späte 2. Jahrhundert ist eine christliche Gemeinde in der Stadt belegt. Die im 3. Jahrhundert erfolgte Gründung eines Bischofssitzes ist hingegen umstritten. Erste urkundliche Erwähnungen einer Kathedrale datieren in die Mitte des 9. Jahrhunderts.
Die alte Kathedrale Saint-Nazaire hatte annähernd die übliche West-Ost-Orientierung. Für die zahlreichen Pilger zu den Reliquien des heiligen Lazarus (ursprünglich aus der Lazaruskirche in Larnaka) wurde St-Nazaire zu klein; es entstand ein neuer Kirchenbau als Wallfahrtskirche im rechten Winkel dazu. Daher steht die Eingangshalle im Nordnordwesten, der Chor mit den drei Apsiden im Südsüdosten.
Die Errichtung der Kirche Saint-Lazare wurde um 1120 begonnen. Noch in Bau, wurde sie bereits 1130 anlässlich des Besuchs von Papst Innozenz II. geweiht. Als 1146 die Reliquien des heiligen Lazarus aus der alten Nazarius-Kathedrale in die Lazaruskirche überführt wurden, war die Kirche fast fertiggestellt; es standen nur noch Detailarbeiten aus, etwa am Fußboden.
Im Zuge des Hundertjährigen Krieges zerstörten 1379 englische Truppen die Stadt und ihre große Wallfahrtskirche. Erst Kardinal Jean Rolin (Bischof 1436–1483) ließ das Gotteshaus wiederherstellen und erweitern. Seither prägen die spätgotischen Kapellenreihen an den Längsseiten und der mächtige Vierungsturm die Außenansicht der Kirche. Auch das obere Fenstergeschoss des Hauptchors mit seinen schmalen hohen Spitzbogenfenstern stammt erst aus dieser Erneuerung.
Außergewöhnlich groß ist die zwei Joche tiefe offene Vorhalle unter den Türmen am Nordende des Langhauses. Nach Öffnung der zeitweilig als Kapellen abgetrennten Seitenbereiche erstreckt sie sich über die gesamte Breite der Kirche.
Das berühmte Tympanon, also das Bogenfeld über dem Westportal gilt als die bedeutendste Weltgerichtsdarstellung der Epoche. Das aus 29 Blöcken bestehende Relief zeigt das Jüngste Gericht. Beherrschendes Motiv ist die thronende Gestalt Christi, umgeben vom Würdezeichen der Mandorla, die von vier Engeln gehalten wird. Sonne und Mond flankieren sein Haupt.
Zur Bilderzählung gehört der Türsturz zu Füßen des Weltenrichters, auf ihm sind 38 Auferstehende aufgereiht. Getrennt durch einen schwerttragenden Engel werden 18 Verdammte und 20 Auserwählte durch ihre Mimik oder Attribute differenziert dargestellt, so erkennt man die unzüchtige Frau, an deren Brüsten sich Schlangen nähren oder den frommen Wallfahrer an seinem Pilgerstab, verzweifelte Gesten kennzeichnen die Verdammten, während die Kinder von den Engeln hinauf geführt werden.
Seitlich der göttlichen Zentralfigur wird in den Viertelkreisfeldern die Scheidung in Gute und Böse fortgesetzt. Das Hauptmotiv rechts ist die Seelenwägung. Der Erzengel Michael drückt so auf die Waagschale mit einem armen Sünder, dass der zerrende Teufel gegenüber nicht verhindern kann, dass die Waage sich zu seinen Ungunsten neigt und die Seele des Auferstandenen zum Himmel steigt. Das gegenüber liegende Feld wird von zehn Aposteln eingenommen, weiter außen stürmen andere Auserwählte zum Himmel empor. In den verbleibenden Zwickeln darüber, einer Zone, die ganz dem himmlischen Paradies gewidmet ist, sitzen die Gottesmutter und zwei weitere Apostel. Vier trompetende Engel begleiten am Rand des Bogenfeldes das dramatische Geschehen.
Auf der leeren Archivolte waren einst die 24 Älteste (Apokalypse) dargestellt, weiter außen ein Laubwerkband und in der dritten Archivolte Tierkreiszeichen und Monatsbilder.
Neben der Kathedrale von Autun besuchen wir auch das Musée Rolin, eingerichtet in dem Stadtpalast, der im 15. Jahrhundert von Nicolas Rolin, Kanzler, Schatzmeister und Berater der burgundischen Herzöge, in seiner Heimatstadt Autun errichtet wurde.
Besonders die Ausgrabungsfunde aus gallo-römischer Zeit, als Autun eine der bedeutendsten Städte Galliens war, lohnen einen Besuch. Dazu zählen Funde vom nahen Tempel des Janus und aus dem Grabmal von Couhard, Götterstatuen, Mosaiken, Grabmäler und Alltagsgegenstände.
Der zweite Schwerpunkt der Sammlung sind romanische Skulpturen aus der ehemaligen Kathedrale Saint-Lazare. Als bedeutendstes Stück des Museums gilt die Versuchung Evas aus dem 12. Jh., ein Relieffragment, das wohl vom zerstörten Tympanon des nördlichen Querhausportals der Kathedrale stammt und zu den Werken des Meisters Gislebertus gezählt wird.
Weiterhin verwahrt das Museum aus der Kathedrale die Fragmente des Lazarusgrabes, eines steinernen romanischen Reliquienschreins mit einer Figurengruppe der Auferweckung des Lazarus durch Christus.