Es gibt nicht allzu viele überlieferte mittelalterliche Hochzeitsbräuche, die meisten Traditionen sind neueren Datums.
Brautbecher
Der Brautbecher oder Nürnberger Hochzeitsbecher ist ein Becher in Frauengestalt mit einem zweiten drehbaren Gefäß, so daß Braut und Bräutigam mit einiger Geschicklichkeit gleichzeitig daraus trinken können. Nach der Legende des Brautbechers hatte sich ein Goldschmied in die Tochter eines edlen Herrn verliebt. Als der Edelmann davon erfuhr, ließ er den frechen Goldschmied in den Kerker werfen. Auf die Fürsprache seiner Tochter hin versprach der Vater, den Goldschmied freizulassen, wenn es ihm gelänge, einen Becher zu schmieden, aus welchem zwei zur gleichen Zeit trinken können, ohne einen Tropfen zu verschütten. Der geschickte Goldschmied gestaltete ein Trinkgefäß in Form einer Frau, deren Rock umgedreht als Becher verwendet werden kann und die mit erhobenen Händen einen zweiten, beweglichen und drehbaren Becher hält. Damit ist es für ein Paar leicht, die beiden gefüllten, miteinander verbundenen Becher gleichzeitig zu leeren. So entstand der Brautbecher, bis heute ein Symbol für gegenseitige Anpassung und Liebe.
Die Brautmutter hatte von Nürnberger Freunden solch einen Brautbecher besorgt und wir mußten ihn gemeinsam leeren.
Es heißt, daß derjenige, der seinen Becher zuerst ausgetrunken hat, die Oberhand in der Beziehung hat. Wenn aber beide Brautleute genau gleichzeitig fertig werden, wird es eine sehr harmonische Ehe.
Leider wurden wir über diese Interpretation nicht rechtzeitig informiert - also hat jetzt Henrike die Hosen an und bekam den großen Schlüssel zu Heim und Hof überreicht.
Hochzeitstorte
Die Tradition der Hochzeitstorte reicht bis ins antike Rom zurück - im Rahmen der sogenannten confarreatio wurde ein Mandelkuchen über dem Kopf der Braut zerbrochen. Die geladenen Gäste verspeisten die entstandenen Krümel und erhofften sich dadurch Glück und Gesundheit.
Aus dem Mittelalter liegen keine Belege für einen derartigen Brauch vor, erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Tradition in England wieder aufgegriffen. Alle Gäste brachten zur Hochzeitsfeier selbstgebackene Kuchen mit, die übereinandergestellt wurden und so einen hohen Turm bildeten - den Vorläufer der mehrstöckigen Hochzeitstorte.
Auch wenn es im Mittelalter nicht belegt ist - wir bekamen unsere mehrstöckige Hochzeitstorte. Alle Freunde hatten sich abgesprochen, telefonisch über Kuchenform-Durchmesser und Rezepte konferiert und tatsächlich brachte jeder einen Kuchen mit, in diversen Geschmacksrichtungen und unterschiedlichem Durchmesser. Die Kuchen wurden zu einem wackeligen Turm aufgestapelt, über dem wir uns küssen sollten, natürlich ohne den Turm einstürzen zu lassen.
Bettlege
Eine Ehe war im Mittelalter nur dann gültig, wenn sie auch vollzogen wurde. Das Brautpaar mußte vor den Augen der Hochzeitsgesellschaft oder zumindest mehrerer Zeugen gemeinsam das Ehebett besteigen. Selbstverständlich war das ein rein symbolischer Akt.
Wir erlebten bei unserer Hochzeitsfeier unser blaues Wunder, als wir mitten während des Banketts herausgerufen wurden. Die Musiker vorweg, hinter uns Pater Ernst Martin (als Vertreter der Geistlichkeit) und Burgverwalter Bernd Wippert (als Vertreter der Obrigkeit) und im Gefolge die gesamte Hochzeitsgesellschaft, wurden wir über den fackelerleuchteten Burghof ins Hauptgebäude geleitet, die Treppen hoch, hin zur Gotischen Stube. Dort war das (neogotische) Bett frisch bezogen und stand für uns bereit! Die Musiker spielten noch ein Stück, während der Zug der Gäste an uns vorbeizog. Dann schloß sich die Tür und wir waren allein.
Nach einer angemessenen Weile verließen wir das Zimmer, um festzustellen, daß Wolfram die ganze Zeit vor unserer Tür Wache gestanden hatte (aus gutem Grund: das Museum war wegen uns offen, die Alarmanlage ausgeschaltet). Um vor unseren grinsenden Gästen nicht das Gesicht zu verlieren, haben wir schnell noch unsere Kleidung ein wenig in Unordnung gebracht: hier und da eine Nestelschnur geöffnet, den festgesteckten Schleier gelöst, das Hemd ein bißchen herausgezogen...