Elftes Kapitel
Der Kampf in der syrischen Wüste
Aus den heimischen Tälern der Mindel, Wertach und Schmutter, in denen sich binnen kurzer Zeit so manches traurige Ergeignis zugetragen, wende sich die Aufmerksamkeit und Teilnahme des freundlichen Lesers hinweg, und verweile jetzt bei den durch manche wichtige Begebenheit der Vorzeit geweihten Stätten von Asien. Die Sonne brennt glühend heiß hernieder auf die Sandsteppen der syrischen Wüste. Vom Roten Meer bis zu den Ufern des Euphrat ist die Gegend fast ausgestorben; und es scheint, als hafte der Fluch des Allmächtigen, da er die fruchtbare Ebene Siddim ob den Greueln ihrer Bewohner in Schwefel, Pech und Salz verwandelte, immer noch schwer und drückend über der großen, sandigen Erdfläche. Es grünt kein Baum; es blüht keine Blume. Die Quellen aus der Zeit des friedlichen Hirtenlebens sind vertrocknet, oder haben sich verstaltet in den Pfuhl stinkender Schwefeldämpfe. Und verirrt sich hie und da aus den wonnevollen Tälern des glücklichen Arabiens ein bunter Vogel in die öde Wüste, so fällt er bald entkräftet aus der verpesteten Luft und wird der grausamen Hyäne, dem heulenden Grabtiere, eine willkommene Beute. Nur einzelne, wunderliebliche Stellen - die bekannten Oasen - dienen den Wanderern durch die Wüste zum angenehmen, tröstlichen Ruhepunkte. Der Araber nennt einen solchen in die Wildnis gleichsam feenhaft hinein versetzten Garten: El Wahat. - Er hält die süße Quelle, die hier alles erfrischt und zum Blühen und Reifen bringt, so hoch in Ehren, daß er steinerne Rinnsale baut, damit kein Tröpflein des labenden Bornes verloren gehe. Er leitet den Wasserstrahl durch metallene Röhren in einen unverwüstlichen Behälter, auf daß sich Pilger und Dromedar, Reiter und Roß hier köstlich laben und die Wallfahrer unter dem Lob des Allmächtigen gestärkt weiterziehen können. An einer solchen von der Natur geschaffenen Herberge hatte sich unter dem Schatten grünender Dattelpalmen eine Rotte fränkischer Kreuzfahrer niedergelassen und ruhte aus von der Anstrengung eines Gemetzels, worin sie einen Schwarm mordgieriger Saracenen, von denen sie unversehens in der Wüste angefallen worden, besiegt hatte.
Der Anführer des Reiterzuges saß über dem Brunnensteine und wusch sich mit dem hervorsprudelnden Wasserstrahl das Blut einer leichten Stirnwunde aus dem Gesichte. Nebenan stand ein Knappe, legte mitleidig ein Tuch zusammen, goß darauf aus einem Fläschchen, das er aus dem Wams hervorzog, kühlenden Balsam und schickte sich an, die Wunde des Ritters zu verbinden. "Bei dem Kreuze meines Schwertes," sagte dieser, da er es gern geschehen ließ, "ich läge nun mausetot im Sande der großen Wüste, wäre nicht der Speer des flinken Saracenen abgeprallt von deinem büffelledernen Schilde, den du mir, treuer Knappe Kuno, im glücklichen Augenblicke vors Gesicht gehalten. Ich habe dir mein Leben zu verdanken. Allein, was kann ich dir tun in diesem Lande? Ich wills dir nicht vergessen, wenn wir die Heimat wiedersehen!"
"Erwähnt des geringen Dienstes nicht, edler Herr von Schwabeck," erwiderte der Knappe. "Hab ich denn mehr getan, als meine Pflicht von mir gefordert? Allein, wie ich dafür halte, dürfen wir auf der Hut sein, daß wir nicht überrumpelt werden. Es sind uns einige aus dem Schwarm der Feinde entkommen. Ich sah sie die Flucht ergreifen und ihre behenden Rosse pfeilschnell über die sandigen Hügel jagen. Wer weiß, ob sie nicht Verstärkung holen? Um sich zu rächen, fallen sie uns hinterm Rücken an, ehe wirs denken. Darum, edler Graf, wollen wir die Lanzen nicht aus den Händen lassen, selbst nicht, wenn wir ruhen." "Du magst recht haben," erwiderte der Herr von Schwabeck; "ich ehre deine Vorsicht; denn ihr guter Erfolg hat sich schon oft bewährt." - Hierauf gab er Befehl, daß die Rotte der Kreuzfahrer sich seitwärts unter den Palmen niederlasse, die Streitrosse und die etlichen Kamele zur Tränke führe und sich selbst labe mit Feigen, Datteln, Pistazien und was sie sonst als Produkte der Erde des üppigen Morgenlandes bei sich trügen. Des Panzers aber sollten sie sich nicht entledigen, viel weniger Schilde und Lanze zur Seite legen. Peter von Jenkendorf verdolmetschte diesen Befehl des Grafen unter den streitbaren Männern, die aus den verschiedenartigen und entgegengesetzten Gauen des Deutschen Reiches sich zusammengerottet hatten. Und indem er sich ein gewaltiges Ansehen gab, ermahnte er sie alle strengstens, sogleich bereit zu sein, wenn die geringste Staubwolke in der Ferne der Wüste sich erhebe. Allein gerade er war derjenige, der das selbst nicht hielt, wozu er andere aneiferte. Kaum verstrich eine Viertelstunde - da ward es ihm viel zu langweilig auf der untätigen Lauer und das frische Quellwasser der Oase wollte seiner Gurgel, die stärkere Getränke gewohnt war, gar nicht behagen. Er kauerte sich in die Mitte der Rotte, damit er weder von dem Grafen, der ihn den Bruder Leichtsinn schalte noch von dem Knappen, der jede Kleinigkeit dem Grafen in die Ohren raunte, gesehen werde, und langte schmunzelnd ein gläsernes Flaschen aus der Tasche seines abgetragenen Wamses. "Kameraden," sagte er leise, "da seht nur, was ich erbeutet habe! Einer aus den Dienern Mohammeds hats verloren, da er sich flüchtig machte. Ich sah ihn, ehe der Kampf begann, einen tüchtigen Schluck aus dem Glase ziehen. Und beim doppelten Tiger auf meinem Wappen, er hat lang dreingehauen wie ein Wütender, hat unserm Herrn und Anführer eines auf die Stirn versetzt, das übel geendet hätte, wäre nicht Knappe Kuno im Augenblicke zur Stelle gewesen, den unverschämten Anhänger des Koran aus den Schranken zu jagen. - Nun wieder zur Flasche! - Ich will das Ding versuchen! - Ei wohl, es schmeckt nicht übel! - Ich denke, was der Muselmann trinken kann, wird den Franken nicht zerreißen! - Brüderchen, laßts euch munden! Es lebe die Heimat und was Liebes zu Hause ist! Trinkt und glaubts dem großen Peter! Wir werden Mut kriegen, wie echte Rittersleute vom Schwabenlande!"
Mit diesen Worten setzte er das Glas zum Munde und trank und gab den Kameraden. Sie sangen deutsche Lieder und tranken - und konnten am Ende nicht mehr singen. Denn ihre Köpfe wurden schwer und schläferig. Sie verdrehten die Augen rechts und links und vermochten kaum mehr untereinander unsinniges Zeug zu murmeln. "Ach, meine lieben Brüderchen," stotterte der Jenkendorfer, "nun haben wirs schlecht gemacht! Ich meine, schon einmal gehört zu haben, die Türken lieben ein Getränk, aus einem betäubenden Pflanzensaft bereitet! Das mag so ein Ding gewesen sein! Uns Christen wills, wie es scheint, nicht ordentlich bekommen. Was wird der hochherzige Graf von Schwabeck sagen, wenn er uns taumeln sieht? Ei, du mein heiliger Namenspatron und großer Apostel, sei bei uns und verhüte vorderhand einen plötzlichen Überfall von selten der Ungläubigen." Der gewaltige Kreuzfahrer Peter schüttelte noch drei- und viermal bedenklich den Kopf; dann legte er ihn ins hohe Gras, um ihn abzukühlen. Und die anderen folgten dem Beispiele des Rottenführers. Der edle Wernher von Schwabeck und sein Knappe unterhielten sich mittlerweile ganz vertieft und recht vertraulich mit Gesprächen von der Heimat. "Zwei Jahre sind nun wohl vorüber," sagte der Graf, "daß ich Weib und Kind und Schwester, daß ich das ritterliche Erbgut meiner Ahnen, die stolze Burg, den friedlichen stillen Herd verlassen habe. Keine Nachricht, kein Gruß von zu Hause ist je an mich gekommen, obwohl ich schon manchem heimeilenden Pilger Botschaft mitgegeben und oft seitdem im christlichen Heere Ankömmlinge getroffen, die mir gar leicht vom Heimattale etwas Verlässiges hätten berichten können. Schon seit zwei Monden irren wir unstet umher in diesen unwirtlichen Steppen der großen Wüste, abgeschnitten vom geregelten Heere der fränkischen Ritter, wo wir doch, solang wir mit ihm vereint waren, der Gefahren nicht so viele und gräßliche zu erdulden hatten, als seit diesen etlichen Wochen."
"Ergebt Euch drein, edler Herr!" fiel der Knappe dem Grafen in die Rede, "und denket, daß wir alles unternommen haben und leiden zur Ehre dessen, der einst unfern von dieser öden Wüste, zu unserm Heile in den schönen Tälern von Judäa wandelte."
"Hätt ich nicht dies Vertrauen in meiner Seele," fuhr der Graf fort mit einem festen Blicke zum reinen Himmel, "so müßt ich ja verzweifeln, mein treuer Knappe! - Denn war es wohl ein Kleines, vom häuslichen Herde, wo ich der stillen Freuden unzählige genossen, zu scheiden? Weib und Kind und Schwester zu verlassen, eines Ungewissen Zieles wegen, das die gute Sache wohl befördern und dem Allmächtigen gefallen möchte, das aber in jetzigen Umständen noch fern aus unserm Gesichtspunkte liegt? Überhaupt, wenn wir von der Stunde der Scheidung aus der Heimat bis auf diesen Augenblick die Tage der Vergangenheit durchdenken, so haben wir eine Reihe von Unglücksfällen aufzuweisen. Schon bei Straßburg, da wir das Lager schlugen, vermißte ich am Morgen nach einer schwer durchträumten Nacht die himmelblaue Schärpe, die mir Ludmilla zum Abschiede um die Schulter band; ihre Tränen waren darauf gefallen und ich ehrte das Pfand der Erinnerung wie einen Talisman, der mich aus der blutigsten Schlacht unversehrt herausführen sollte. Ich trauerte recht herzlich um die Schärpe. Denn es ist dir nicht unbekannt, mein Knappe, wie innig der brave Ritter solch ein Zeichen ehrt. Und, nenne es Aberglauben, oder wie du willst - er knüpft sein Glück oder Unglück an die Abschiedsspende seiner edlen Liebe.
Wir hatten auch im allgemeinen eine schlimme Fahrt. Wer mag es leugnen? Damals hatte sich der für den Kreuzzug so sehr begeisterte Mönch heimlich auf und davon gemacht. Das war kein braves Stückchen. Wir durchzogen ganz Frankreich; denn von dort hofften wir Verstärkung unseres Zuges und erhielten sie auch. Von schönen Hoffnungen neu beseelt, wandten wir uns gen Oberitalien. Im Meerbusen von Genua schifften wir uns ein und gelangten wohl glücklich nach Sizilien, um dort zu überwintern. Als wir aber von dort absegelten - wenige Stunden waren wir auf der hohen See - überrumpelte uns ein fürchterlicher Meeressturm, der nach langer Irrfahrt endlich nur wenigen vergönnte, bei Alexandria die Küste von Afrika zu erreichen. Den Angriffen der Beduinen preisgegeben, durchirrten wir später die Wildnis des wüsten Arabiens. Und kaum daß wir nach hunderterlei Gefahren das Gesamtheer der fränkischen Kreuzfahrer bei Hebron froh begrüßten, kaum daß uns die Hoffnung leuchtete, dem Könige von Jerusalem, Balduin II., uns zu zeigen, um mit ihm in der Kapelle des Heiligen Grabes den Erlöser der Welt anzubeten - da hat uns die heiße Schlacht mit den Saracenen aufs neue abgeschnitten von dem Heere unserer Kampfgenossen, hat uns hinausgestoßen in diese Sandsteppen und wir sehen, wenn nicht der Gott der Gnade es anders fügt, einem schauerlichen Ende entgegen." Hier schwieg der Graf. Der Knappe hatte keinen Trost für seinen Herrn und unterbrach das Schweigen nicht. Aber wehmütiger fuhr Wernher von Schwabeck nach einer Weile fort:
"Auch eine böse Ahnung, daß in der Heimat ein schlimmes Unglück hereingebrochen, durchschauert meine Seele. Ein schwerer Traum der letztverwichenen Nacht trägt die Schuld daran. Ich sah Ludmilla knien vor meinem Bildnisse im großen Ahnensaale. - Wernher, hörte ich sie rufen, teurer Wernher, sende deinen Geist in die Gestalt dieses Gemäldes - oder wir sind verloren! Die Hölle hat sich geöffnet und will all deine Lieben verschlingen samt der Heimat! - Und in dem Augenblicke stürzte ein Ungeheuer über Schwabeck herein, halb Mensch, halb Drache, schüttelte seine blutigroten Schwingen - und die Burg samt allen teuren Bewohnern lag vernichtet. Ein furchtbares Geschrei weckte mich aus dem Traume - und es begann der Kampf mit den Saracenen, den wir so ritterlich bestanden." "Unser Sieg mag Euren Traum zuschanden machen, edler Herr!" tröstete lächelnd der treuergebene Knappe. Aber das finstere Antlitz des Grafen wollte sich nicht erheitern. Da erhob sich auf einmal in der fernen Ebene eine dichte Staubwolke, die sich immer wilder und schauderhafter der Oase näher wälzte. "Was ich befürchtet, wird geschehen!" schrie der Knappe und sprang auf, die Kreuzfahrer auf einen feindlichen Angriff vorzubereiten. Im Augenblick saß der Held von Schwabeck sattelfest mit vorgehaltener Lanze und ritt vor die Frankenrotte, die angemessenen Befehle zu erteilen. Aber wie erschrak er, da Peter von Jenkendorf und seine Gefährten schläfrig die Augen rieben. "Beim heiligen Ritter Georg," donnerte der Graf, "was ist geschehen? Hat irgend ein böser Geist der Wüste mein Volk verzaubert? Auf, auf, die Saracenen nahen! Die Wolken, die sie hersenden von ihren Rossen, heißt schwarzer Tod, wenn ihr euch nicht als Helden zeigt, ihr deutschen Männer. Unsere glückliche Losung aber ist das Grab des Heilandes!"
Die Kreuzfahrer saßen wohl bald, durch die gewaltige Stimme ihres Anführers aufgeschreckt, auf ihren Rossen. Allein die Wirkung des Mohngetränkes, das den Türken, dessen gewohnt, zum Mute reizt, hatte bei den Franken einen lebensmüden Unmut hervorgebracht, vermöge dessen sie wohl verzweifelt kämpfen wollten, aber nicht konnten. Kaum hatte der Graf so viel Zeit, die Mannschaft an ihre alten Heldentaten zu erinnern und sie durch dieses Lob zu neuen anzuspornen, als die Saracenenrotte nur mehr Wurfspießweite von der Oase entfernt war. Die gräßliche Stimme des feindlichen Anführers, der sein bebendes Roß pfeilschnell umwandte zu seinen Leuten, dröhnte todverkündend durch die schwarze Staubwolke: "Bei Mohammed, dem großen Propheten, sie sinds die wir suchen! Nieder mit den fränkischen Hunden!"
Dies war das Losungswort für die Türkenhorde. Plötzlich erhob sie ein furchtbares Feldgeschrei. Und an Mehrzahl den Kreuzfahrern weit voraus, sandten immer zehn Muselmänner auf einen Christen ihre scharfen Pfeile von den kleinen Bogen. Anfangs widerstanden die dichten Schilde der Franken den fliegenden Waffen ihrer Feinde. Allein in die Länge konnte es nicht mehr währen. Denn mancher Pfeil fand bald einen schwachen Flecken in der Brustwehr der Deutschen, und schwer verwundet sank da und dort ein Betäubter von seinem Pferde. Der Graf erkannte die Gefahr, die mit jedem Augenblicke sich steigerte, wenn nicht ein verzweifeltes Handgemenge das glückliche Ziel des Kampfes herbeiführe. "Brüder," rief er mit donnernder Heldenstimme, "wollen wir uns aus der Ferne töten lassen durch die Pfeile der Saracenen? Der deutsche Ritter siegt nur, wenn er seine gewaltige Keule führen kann in starker Faust! Auf denn in Gottes Namen und zur Ehre des Heiligen Grabes!" Mit diesem Zuruf sprengte er auch schon sein steigendes Streitroß in den Schwarm der Feinde und ließ rechts und links die eisenbeschlagene Keule so derb in die Reihen der Türken fliegen, daß jeder, der ihm nahe kam, wie eine Mücke vom Pferde taumelte. Sein Beispiel spornte die Franken zur schnellen Rache an. Aber leider zu früh schwächte die Wirkung des morgenländischen Mohnsaftes die sonst so ausdauernde Stärke der Deutschen. Die Schwungkraft in den Fäusten der Franken hatte sich verzehrt. Erfolglos blieb der Schlag der Keulen. Das merkte der Feind im Augenblick, dehnte sich auseinander, umzingelte unvermerkt die an der Zahl minderstarke Rotte der Kreuzfahrer und ehe der Graf, der, geschützt von dem Schilde seines Knappen, noch immer tapfer zuschlug, an eine Übergabe dachte, befand er sich samt dem Überreste seiner Kampfgenossen gefangen inmitten der hohnlachenden Muselmänner.
Der edle Herr von Schwabeck verbiß seinen Unmut zwischen den Zähnen und schalt seine Krieger behexte Memmen. Denn er hätte in diesem Augenblick einen schönen Heldentod solch schmählicher Gefangenschaft zehnmal vorgezogen. Der Anführer der Saracenen aber spottete und schrie: "Beim Edelsteine der heiligen Kaabe, die List eines Gläubigen hat euch Abendländer besiegt. Ihr habt euch betäubt mit der Flasche, die einer aus uns, um sich für die im vorigen Kampfe erhaltene Wunde zu rächen, aus dem Kaftan fallen ließ. Wir wissen, daß ihr keinen Trunk verschmäht! Und beim Turban des großen Propheten, ihr seid wunderschön in die Schlinge gegangen!"
Dann wandte er sich zu dem Grafen von Schwabeck und wie es schien, nicht ohne Ehrfurcht und Verwunderung: "Ich lobe deine Tapferkeit, Nazarener! Doch wird der Emir in Damaskus, zu dem wir euch führen, dir wenig Dank wissen. Du hast seinen einzigen Sohn erschlagen!" Hierauf wurden die Kreuzfahrer entwaffnet und ihre stählernen Rüstungen von denen aus der Türkenhorde, die sich im Kampfe ausgezeichnet, als Siegeszeichen in Empfang genommen. Dann gab der Anführer Befehl, daß man je zwei der Gefangenen festbinde auf den erbeuteten Pferden. Und im wilden Freudengeschrei ging der Zug vorwärts durch die Wüste - gen Damaskus.
Der Emir, ein siebzigjähriger Mann mit schneeweißem Barte, der bis über die Brustfalten des reichbestickten Kaftan herniederfloß, ließ die gefangenen Franken vor sich erscheinen. Lang betrachtete er unmutig und finster den Grafen von Schwabeck, der in edler, fast trotziger Unerschrockenheit vor ihm stand und sagte endlich: "Bei Mohammed, dem großen Propheten und bei Allah, dem großen Gott des Propheten, ich könnte dich erwürgen lassen, Christ, wie du meinen Sohn getötet. Allein dann hätte ich meiner gerechten Rache nicht genug getan; du hättest Ruhe im Grabe, während mein altes Herz sich martert mit dem Gedanken, einen edlen Erben meiner Güter gehabt zu haben. So aber, wenn du lebst und mir als Sklave dienst, kannst du dich quälen mit der Erinnerung an die Heimat, wo um dich trauern Weib und Kind, die du nie mehr sehen sollst in deinem Leben, so wahr ich vom Adel des großen Propheten stamme."
Graf Wernher entgegnete kurz und offen: "Wer fragt im Kampfe nach Stand und Namen? Überdies war ich der Herausgeforderte? Und so ich fiel - wer hätte genuggetan Wernhers unglücklicher Witwe im Schwabenlande?" Jetzt schwieg er und erwiderte mit keiner Silbe auf die vielen Fragen, die an ihn ergingen. Der Emir aber winkte und die umstehenden Muselmänner warfen verächtlicherweise einen alten Sklavenkittel über die Schultern des edlen Wernher. So erniedrigt sollte er in einem halbverfallenen Turme verschlossen liegen, bis es nach Monden dem stolzen Emir gefiele, seine Dienste zu begehren.
Da öffnete sich der Mund des gräflichen Gefangenen noch einmal und zwar zu einer Bitte: "Ich stehe in deiner Hand, Verehrer der Kaabe," sagte Wernher zum finster horchenden Emir, "aber auch über dir schwebt eine weit mächtigere Hand, die des ewigen Gottes, der es zuließ, daß der Kampf in der Wüste zu meinem scheinbaren Unglücke hat geendet. Ich murre nicht - und ertrage diese Schmach mit der Kraft eines deutschen Mannes. Doch, weil du jetzt mein Herr bist, ich dein Sklave, so bitt ich - und du magst gewähren. Den treuen Knappen hier, der keinen Augenblick seit dem Abzug von der Heimat mich verließ, laß auch jetzt an meiner Seite weilen. So du es erlaubst, ist er glücklich mitten in unseren Leiden. Vergönn ihm dieses Glück - er hat dir ja keinen Sohn erschlagen."
"Die Bitte sei dir gewährt," erwiderte der Emir nach kurzem Bedenken. "Ihr Nazarener sollt nicht sagen können, daß ihr Unbarmherzigkeit gefunden bei den Gläubigen."
"So dank ich dir," sagte der Graf; "und könnt ich, würd ich dir deinen Sohn gern wieder geben für diesen kleinen Dienst!" - Hierauf blickte er mit tränenfeuchten Augen zum klaren Himmel und betete: "Herr, Gott, der du diese schwere Prüfung, vielleicht auch Strafe - und ich habe sie verdient - über mein Haupt hast kommen lassen, sei von mir gepriesen, auch wenn du züchtigest! - Verlaß die Lieben in der Heimat nicht, die jetzt trostlos um den Gatten, um den Vater, um den Bruder jammern! - Tröste sie und sende mir und ihnen nach so vielen Nächten der Trübsal und des Kummers auch wieder einmal das Morgenrot des Friedens und der Freude! - Wohl ist die Hoffnung des Wiedersehens jetzt fast vernichtet! - Doch, was ist dir nicht möglich, du Gewaltiger? Wo die Not am größten, da bist du ja am nächsten mit deiner Hilfe! Ich schaue gen Jerusalem hinüber und lobe dich in Ewigkeit!" Jetzt wandte der Emir das Gesicht nach Mekka, um für seinen Sohn zu beten. Dies war das Zeichen, daß man die Gefangenen entfernen müsse. Da wurde die Frankenrotte zum beschwerlichen Bautendienste, Graf Wernher und sein Knappe in den schauerlichen Sklavenkerker abgeführt.