Vom 17. bis zum 20. Mai 2012 ruft der Bund Oberschwäbischer Landsknechte auf zum 2. Europäischen Landsknecht Hurra. Das Wetter gibt uns alles, was es hat: Regen, Hagel, Schneesturm und Sonnenschein.
Die Veranstaltung wird sicher als das "Vier-Jahreszeiten-Hurra" in die Annalen der Landsknecht-Geschichte eingehen.
Zeitlich lautet die Ansage: 15. und 16. Jahrhundert. Wir sind mit unserem Karrenroß Molly als Fuhrleute mit von der Partie, werden ebenso wie die Reiterei dem Rennfähnlein zugeordnet, gelten aber als Zivilpersonen, gehören nicht zur kämpfenden Truppe, sondern zum Troß.
Es besteht die Möglichkeit, schon am vorhergehenden Samstag anzureisen und wir machen von diesem Angebot Gebrauch. In aller Ruhe stellen wir unser "Kontor" auf. Das ist Premiere: Gestänge und Plane stehen zum allerersten Mal. Selbst für Molly ist Platz in der Hütte, auch wenn es ein paar Tage braucht, bis sie sich hinein traut. Wir feiern Richtfest und verzieren unseren Kontor mit einem Zweigerl.
Leider meint es das Wetter nicht gut mit uns: die ersten Tage sind total verregnet. Nur selten zeigt sich mal die Sonne und erlaubt ein paar schöne Bilder von unserem neuen Domizil - man merkt: wir sind noch sehr stolz darauf...
Am Dienstag reisen unsere Nachbarn an, Inèz und Féy. Wir haben im Vorfeld beschlossen, uns zu einer Kochgemeinschaft zusammenzuschließen und nebeneinander aufzubauen, was sich als großer Glücksfall erwiesen hat: so viel Spaß hatten wir schon lange nicht mehr! Auch unser eifriger Sanitäter Marcel wird von uns mitverpflegt. Klare Arbeitsteilung: Inèz kocht, die anderen arbeiten zu und spülen. Die Köchin ist immer ein Nicht-Spül-Charakter...
Féy und Inèz sind erfahrene Liverollenspielerinnen. In anderen Worten: bei Albert dem Fuhrmann und seinem mit dem unbequemen Alltag im Landknechttroß hadernden Weib Jacobäa haben sich die vom Schicksal gebeutelte polnische Edeldame Jadwiga - in Sold beim Rennfähnlein - sowie deren eigensinnige Roßmagd Joszka einquartiert, eine Zweckgemeinschaft, die sich gegenseitig zu schätzen gelernt hat. Die leicht aufbrausende Jadwiga muß öfters mal von einer Dummheit abgehalten werden, sie zieht am Ende um ein Haar gegen den Profoß blank, weil sie sich in ihrer Ehre gekränk fühlt. Die Frau ist ein Pulverfaß - und irgend jemand fuchtelt immer mit einer Lunte... Roßmagd Joszka hingegen verdreht sämtlichen jungen Landsknechten den Kopf, hat aber nur ihr Pferd im Sinn, wird wegen Ungehorsams an das Nachbarlager verkauft, kommt aber immer noch brav zum Spülen heim.
Mädels, wir vermissen euch und euren schrägen Humor!
Mittwoch ist der Hauptanreisetag und nun zeigt Petrus, was er so drauf hat: Hagel und Schnee am 16. Mai.
Albert der Fuhrmann ist unentwegt im Einsatz. Die Neuankömmlinge können die Wiese nicht befahren und müssen alles zu Fuß oder per Handkarren zu ihren Lagerplätzen schleppen. Da kommt ein Fuhrwerk grad recht. Molly muß auf engstem Raum rangieren, zuweilen muß sie unterm Wenden mit ihrem Karren rückwärts gehen, um durch das Gewirr von dicht gestellten Zelten, abgelegtem Gepäck und kreuz und quer ausgespannten Seilen hindurch zu manövrieren. Sie liefert da wirklich eine großartige Leistung!
Schon in der Aufbauphase wurden Molly und der Karren für vielfältige Zwecke eingesetzt: Transport von überlangen Zeltstangen, Lieferung von Brennholz, Abhängen der Dixies mit Plane, dann natürlich Gepäcktransport.
Ihre wahre Bestimmung findet sie aber, als die Veranstaltung richtig losgeht: "BIERTRANSPORT"
Die circa 800 Teilnehmer wurden auf drei Fähnlein aufgeteilt: Fähnlein Kern, Fähnlein Feder und das Rennfähnlein. Diese drei Gruppierungen ziehen ins Feld und bekriegen sich gegenseitig. Lebensmittel können aber nur in anderthalb Kilometer Entfernung auf dem "profanen Markt" eingekauft werden. Also müssen die Fähnlein ihren Troß ausschicken, um auf dem Markt einzukaufen. Natürlich wird der Troß von den feindlichen Fähnlein unterwegs auch angegriffen. Um es spannender zu machen, ist es erlaubt, Bier als Beute tatsächlich zu entwenden - die anderen Einkäufe bleiben unbehelligt. Der Troß quält sich also anderthalb Kilometer weit durch sumpfiges und morastiges Gelände und muß jedes Gramm Essen oder Trinken tragen, in Schubkarren oder Handkarren durch den tiefen Schlamm schieben ... oder den Fuhrmann unter Vertrag nehmen.
Die Bierfässer - schwer, unhandlich und wertvoll - werden bevorzugt auf unserem Karren transportiert, Molly muß teilweise mehr als 200 Liter ziehen, zuzüglich Fuhrmann und zuweilen auch noch einen Passagier. Unser Karren ist der am besten bewachte Wagen weit und breit, alle Spießer stehen zur Verteidigung des Biers bereit, um Molly vor dem bösen Feind zu beschützen.
Ab Donnerstag liegt der Schwerpunkt deutlich auf dem militärischen Bereich. Die einzelnen Waffengattungen führen Waffendrills durch, um den zusammengewürfelten Landsknechten den letzten Schliff zu verleihen, bevor es am Wochenende ernst wird und richtige Kampfhandlungen stattfinden. Ab sofort ist der Kanonendonner unser ständiger Begleiter.
Es findet am Freitag auch ein sehr interessantes Reitertraining unter der Leitung von Hartwig Lieb statt. Viele für Reitersoldaten "selbstverständliche" Handgriffe müssen eingeübt werden: anreiten und ein kleines Ziel mit der Lanze punktgenau treffen, Abwehren eines mit einem Spieß bewaffneten unberittenen Gegners. Molly nimmt allerdings nicht am Training teil, denn Bert ist als Bierkutscher anderweitig beschäftigt.
Nachdem es am Freitagabend sehr lustig war, beschließt unser Grüppchen, sich für den Samstagmorgen etwas Besonderes auszudenken. In aller Herrgottsfrüh stehen wir auf, Bert baut die Seitenwände am Karren ab, so daß nur noch eine Pritsche übrig bleibt, dann wird Molly eingespannt. Wir fahren klammheimlich am Galgen vor, klauen das dort baumelnde Skelett und legen es auf die Pritsche. Mittlerweile dürfte es etwa sieben Uhr sein.
Jetzt machen wir lautstark auf uns aufmerksam: wir durchfahren sämtliche Gassen des Lagers, Bert ruft mit sonorer Stimme: "Bringt die Toten raus!" und Féy schlägt dazu mit voller Kraft mit einer Messing-Schöpfkelle auf eine eiserne Bratpfanne - ein Höllenlärm!
Wie ein Zombie wankt der Profoß in Bruche und Hemd aus seinem Zelt hervor und legt sich zu dem Skelett auf die Pritsche. Ganz tot scheint er noch nicht zu sein, denn er krabbelt den Fuhrmann ständig an. Ein Mann tritt aus einem Zelt und legt sein vor Vergnügen quietschendes Töchterlein dem Profoß auf den Wanst. Aus einem anderen Zelt krächzt eine verschlafene Stimme: "Du Arschloch!".
Schaut er nicht aus wie der Boandlkramer, der seltsame Fuhrmann mit seinem dunklen Umhang und dem großen Schlapphut?
Am Samstagabend geht (wie eigentlich jeden Abend...) wieder die Post ab: die schwedischen Landsknechte mit ihren Musikern heizen ordentlich ein. Was für ein Temperament! Und ja - man kann auf alte Landsknechtlieder auch tanzen!
Die Gruppe beeindruckt uns sehr, nicht zuletzt durch ihre originalgetreuen Gewänder, mit Liebe bis ins letzte Detail historisch korrekt gestaltet. Sie sind so perfekt, daß man erst mal Hemmungen hat, sie auf ihre tollen Kleider überhaupt anzusprechen. Irgendwann wage ich es doch und die Mädels sind hoch erfreut und total kooperativ, zeigen mir Details, versuchen die Machart zu erklären. Anleitungen gibt es übrigens auf der Homepage von Proknekt - allerdings nur auf Schwedisch...
Die schwedischen Marketenderinnen wiederum zeigten sich begeistert von unserer Molly und so vereinbaren wir für den Sonntagmorgen ein Fotoshooting.
Für das Wochenende ist der Kriegszustand ausgerufen, die Fehde zwischen den Fähnlein flammt jetzt richtig auf. Nur nach Einbruch der Dunkelheit und innerhalb des Lagers ist Waffenruhe angeordnet. Überall auf dem Gelände rings um den Lagerplatz finden Scharmützel statt, die Kanonen verschanzen sich am Waldrand und feuern aus vollen Rohren. Ich bekomme davon nicht viel zu sehen. Wir haben unsere Hunde dabei und Maja hat Angst vor dem Schießen, also bin ich die meiste Zeit im Lager und lasse sie möglichst wenig allein.
Stimmungsvolle Aufnahmen mitten aus dem Kampfgeschehen (sowie der gesamten Veranstaltung) hat zum Beispiel die Grote Garde in ihrer Bildergalerie.
Bert kann jetzt nicht mehr einspannen, denn auch Molly findet die Knallerei doof und steigert sich immer mehr in ihre Abwehrhaltung hinein. Hatten wir zuerst noch mit ein paar Stangenbüchsenschützen vereinbart, einige Salven in Mollys Nähe abzuschießen, damit sie sich an die unangenehme Geräuschkulisse gewöhnt, so haben wir den Bogen leider überspannt und sind den Schützen zu nahe gekommen - jetzt hat Molly die Schnauze voll. Vor allem fand diese Übung in der Nähe ihres Anbindeplatzes statt - nun bleibt sie dort nicht mehr ruhig stehen, auch wenn die Büchsen gerade schweigen oder in weiter Ferne zu hören sind.
Bert sattelt trotzdem auf und schließt sich den Reitern an, will sich allerdings bei den Kampfhandlungen im Hintergrund halten. Keine 10 Minuten ist er fort zum zentralen Antrittsplatz, schon ertönt die Trillerpfeife, die das Spiel anhält, wenn es irgendwo einen Verletzten gegeben hat. Mit weichen Knieen binde ich die Hunde am Kontor an und eile Richtung Antrittsplatz. Von weitem sehe ich Eberhard auf seinem Pferd, wie er mit einem Sanitäter-Rucksack auf dem Rücken zur Menge zurück eilt. Ein anderer Reiter kommt mir entgegengaloppiert, zum Glück deutet er die Situation richtig und beruhigt mich sofort: "Dem Deinen geht's gut, den Uli hat's runtergehauen".
Zum Glück ist nichts wirklich Ernstes passiert, wenn auch der unglückliche Reiter für einen Moment bewußtlos war. Der Zwischenfall an sich war allerdings nicht durch eine Kampfhandlung verursacht, so wie es generell bei den Kämpfen meines Wissens keine Verletzten gab. Die schlimmsten Blessuren ereigneten sich, wenn jemand nachts über Seile oder Zeltheringe stolperte - da gab's auch schon mal gebrochene Rippen...
Bert reiht sich noch bei den Reitern ein, aber Molly wird immer ungestümer, sie beginnt zu steigen und versucht auszubrechen. Als die Kanonen wieder zum Feuern bereit sind, wirft Bert das Handtuch und bittet Hauptmann Philipp, ihm den Weg frei zu machen und vom Schlachtfeld weg zu helfen. Hinter den Reitern ist die Wiese mit Stacheldraht eingezäunt - sollte Molly die Nerven komplett verlieren und außer Kontrolle geraten, ist die Verletzungsgefahr zu groß. Und Mollys Nerven liegen wirklich blank! Ein Karrengaul ist eben kein Streitroß...
Mein Fuhrmann kommt auf seiner zappelnden Stute nach Hause, er kann kaum absteigen, weil sie keine Sekunde mehr still steht. Das Absatteln ist eine Herausforderung, Molly läßt sich kaum auf die Koppel führen und es ist schwierig, ihr die Trense auszuziehen. Kaum aber steht sie frei auf ihrer Wiese, schon fängt sie in aller Seelenruhe zu grasen an. Ob sie uns mit ihrer Panik bloß verarscht hat?
Bewundernswert jedenfalls, wie gelassen die anderen Pferde den Krach und die Hektik hinnehmen!
Leider fehlt noch eine Menge Bildmaterial, denn unsere Karte war am Samstagmorgen schon voll...
ich mußte mit einem fremden Apparat weiter fotografieren. Diese Bilder liegen leider noch nicht vor.
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